Stellungnahme zur Teilrevision Sozialhilfegesetz – Durchführung der Vernehmlassung / Teilrevision der Sozialhilfeverordnung und der Kantonalen Asylverordnung – Durchführung der Anhörung

Sehr geehrte Damen und Herren,
die Grünen Baselland bedanken sich für die Einladung zur Stellungnahme zur oben genannten Vernehmlassung/Anhörung. Wir nehmen wie folgt Stellung.
Allgemeine Bemerkungen:
1. Systemwechsel
Wir lehnen den in §6 bis vollzogenen Systemwechsel und die Einführung einer an Bedingungen gebundenen Staffelung von Grundpauschalen kategorisch ab.
Das bestehende Sozialhilfegesetz stellt ein zentrales Instrument zur Bekämpfung von Armut und Ausgrenzung in der Schweiz dar. Das in der Bundesverfassung verankerte Recht auf Unterstützung für ein menschenwürdiges Dasein gilt es weiterhin gesetzlich zu wahren oder aus Sicht der Grünen Baselland eher noch zu stärken. Die Sozialhilfe hat zum Ziel, dass jeder Mensch politisch, wirtschaftlich und kulturell am gesellschaftlichen Leben in der Schweiz teilhaben kann.
Wir stehen grundsätzlich hinter den SKOS-Richtlinien und der Zielsetzung, jeder in der Schweiz lebenden Person eine menschenwürdige Existenz zu ermöglichen. Der Grundbedarf für den Lebensunterhalt (GBL) entspricht den alltäglichen Verbrauchsaufwendungen in einkommensschwachen Haushaltungen und stellt somit das Minimum einer auf Dauer angelegten menschenwürdigen Existenz dar. Der SKOS-Grundbedarf ist mit der Orientierung an den untersten 10% der Einkommen im internationalen Vergleich gemäss Schlussbericht des Büros für Arbeits- und Sozialpolitische Studien (BASS) bereits restriktiv definiert und liegt mit CHF 100.-/Monat aktuell signifikant unter diesem Richtwert. Eine weitere Kürzung erachten wir als unzumutbar.
Weiter hält die BASS-Studie fest: „Abstriche am Grundbedarf führen zu einschneidenden Einschränkungen, die längerfristige Beeinträchtigungen nach sich ziehen können. Dies können Gesundheitsprobleme aufgrund einseitiger Ernährung (auch der mitbetroffenen Kinder) sein. Den Ausstieg aus der Armut erschwert auch eine Überschuldung. Inadäquate Kleidung verstärkt Ausschluss und Stigmatisierung. Mangelnde Basismobilität und fehlender Internetzugang wirken sich kontra-produktiv aus für die Suche nach günstigen Angeboten und Arbeit.“[1]
Ein Sanktionssystem, das den Grundbedarf der sozialhilfebeziehenden Personen in vielen Fällen unterschreitet, sehen wir als nicht zielführend und ethisch unhaltbar. Damit widerspricht die vorliegende Teilrevision des Sozialhilfegesetzes auch der in Erarbeitung stehenden Armutsstrategie des Kantons, die eine Bekämpfung der Armut zum Ziel hat.
2. Assessmentcenter
Wir begrüssen das Konzept eines Assessmentcenters, das als kantonale Institution Aufgaben im Bereich Arbeitsintegration, Abklärung und Koordination für jene Gemeinden oder in speziellen Situationen wahrnimmt, wo keine entsprechenden Strukturen vorhanden sind. Wir sehen dies lediglich und ausdrücklich als subsidiäres und nicht als ausschliessliches Angebot.

  • Als zentrale Aufgaben sehen wir Abklärungen zur Arbeitsmarktfähigkeit und Potentialabklärungen.
  • Zentral erscheint uns der fest institutionalisierte runde Tisch, an dem sich Lösungen direkt mit den involvierten Stellen behandeln lassen. Ebenso kann dort auch das weitere Vorgehen gemeinsam geplant und koordiniert werden, damit ein «Drehtüreneffekt» weitgehend verhindert werden kann.
  • Das Assessmentcenter soll auch ausgesteuerten Personen offenstehen, die noch nicht bei der Sozialhilfe gemeldet sind.
  • Es zeigt sich, dass zwischen der Aussteuerung beim RAV und dem Bezug von Sozialhilfe eine Lücke besteht, in der Personen keine konkreten Hilfestellungen erhalten. Diese Lücke ist nun zu schliessen.
  • Das Assessmentcenter führt Abklärungen für subsidiäre Unterstützungen (bspw. der Anspruch auf eine IV-Rente) bereits vor dem Eintritt in die Sozialhilfe durch. So kann teilweise eine überbrückende Unterstützung durch die Sozialhilfe verhindert oder dieselbe verkürzt werden. Insofern hat das Assessmentcenter auch eine präventive Funktion.

3. Änderung der Rahmenbedingungen für eine Arbeitsmarktintegration
Wir unterstützen die geplanten Neuerungen:

  • Das Recht auf Förderung ist neu in der Sozialhilfe verankert.
  • Den sozialhilfebeziehenden Personen soll eine ihren Fähigkeiten entsprechende persönliche Förderung und Ausbildung ermöglicht werden mit dem Ziel einer Ausbildung, die im Einzelfall die Chancen auf dem Arbeitsmarkt erhöht.
  • Im Rahmen der Sozialhilfe sollen Integrationsmassnahmen mit Angeboten zur Förderung von Grundkompetenzen sowie zur Förderung der sozialen Integration (letzteres insbesondere für Flüchtlinge) angeboten werden. Diese Angebote sollen auch schwer vermittelbaren Personen zugänglich sein. Wir bitten dies in der Verordnung entsprechend auszuführen.

 4. Forderungen
§6 bis Grundpauschale
Dieser Artikel ist ersatzlos zu streichen.
§11 f
streichen. Es muss im Einzelfall geklärt werden, aus welchen Gründen ein Auto zweckdienlich sein kann.
§15 a Assessmentcenter – Abs. 3.
Die Gemeinden können unterstützte Personen dem Assessmentcenter zuweisen oder diese auf Antrag einem anerkannten gemeindeeigenen Förderprogramm mit entsprechender Beratung zuweisen. (Z.B. Velostation: persönliche Beratung, Potentialabklärung und Schulung und später Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt.)
Die Leistungen der Gemeinden werden entsprechend Aufwand finanziell abgegolten.
Die Umschichtung der Mittel für Integrationsmassnahmen zum Assessmentcenter führt bei den grossen Gemeinden tendenziell zu einem Mehraufwand. Die Gemeinden müssen die Kosten für die Massnahmen selbst tragen. Zudem haben sie weniger direkten Kontakt zu den in Förderprogrammen stehenden Personen, wenn diese zentral in einem Center begleitet werden. Dies kann sich insbesondere bei schwer vermittelbaren Personen negativ auswirken. Eine Zentralisierung macht hier keinen Sinn.
Die Integrationsprogramme der grösseren Gemeinden sollen wie bisher vom Kanton mitfinanziert werden. Die Gemeinden sollen bei der Nutzung der verschiedenen Leistungen des Assessmentcenters die Wahl haben.
§16 Abs.1 Förderprogramme
Bisherige Formulierung beibehalten.
Die Gemeinden müssten sonst die Programme bezahlen, haben aber keinen Einfluss auf die Entscheide betr. Gewährung von Förderprogrammen.
§19 Abs.1 Beschäftigungsprogramme
Beibehalten der ursprünglichen Regelung, vgl. §16Abs.1
Sozialhilfeverordnung
§9a Pflicht zur Überprüfung der Grundpauschale
Aus oben genannten Gründen lehnen wir den Systemwechsel ab.
§16.2bis Freie Vermögensbeiträge für Personen ab 55
Die Gleichstellung von Konkubinatspaaren mit Ehepaaren begrüssen wir, ebenso die Erhöhung der Vermögensfreibeträge für über 55-Jährige.
§17a
Dieser Paragraf ist im Zusammenhang mit der geforderten Streichung von §6bis SHG zu streichen.
§24a
Die Angleichung an die Mindestgrenze der Ergänzungsleistungen befürworten wir.
§25 b
Die Kantonsvergütungen sind beizubehalten.
§26 a, lit 1und 2
Eine Verfügung ist aus unserer Sicht zwingend.
§26alit.3
Streichen.
Kantonale Asylverordnung
§4Abs.2 und §18 Abs.3a
Wir verlangen die Beibehaltung der Beiträge an die Gemeinden nach geltendem Recht.

Dies die Einwände und Anmerkungen der Grünen Baselland, eingereicht bei der Finanz- und Kirchendirektion Basel-Landschaft am 2. Juni 2020.

[1] Büro für arbeits- und sozialpolitische Studien (BASS): Berechnung und Beurteilung des Grundbedarfs in den SKOS- Richtlinien, Schlussbericht, Bern 2018, S. 7.
https://www.buerobass.ch/fileadmin/Files/2019/SKOS_2019_Grundbedarf_Schlussbericht.pdf