Postulat von Laura Grazioli für die Landratssitzung vom 11. Februar 2021
Die Wissenschaft hat planetare Grenzen festgelegt, innerhalb derer eine nachhaltige Entwicklung des menschlichen Lebens auf unserem Planeten möglich ist. Diese Grenzen sind in 3 Bereichen bereits massiv überschritten: 1. Biodiversitätsverlust, 2. Stickstoff- und Phosphorkreislauf, 3. Klimaerwärmung. Der Stickstoffeintrag in die Umwelt durch Abwasser ist auch in der Schweiz erheblich: Trotz moderner Kläranlagen werden im Schnitt nur 45% des Stickstoffs aus dem Abwasser entfernt. Der Rest des Stickstoffs fliesst in Gewässer und verursacht tote Zonen in den Küstenregionen.
Diesem Problem kann mit dem Schliessen von Kreisläufen begegnet werden. Entsprechende Initiativen und Technologien sind vorhanden. Teilweise sind sie aber noch zu wenig bekannt oder scheitern in der Umsetzung an der Gesetzgebung, da sie nicht den Vorgaben für lineare Systeme entsprechen. Zentrales Problem ist dabei, dass die Wasserver- und -entsorgung in der heute geltenden Gesetzgebung als lineares System betrachtet wird:

  • Trink- oder Brauchwasser fliesst von der Wasserversorgung in ein Gebäude und wird genutzt (Verordnung des EDI über Trinkwasser sowie Wasser in öffentlich zugänglichen Bädern & Duschanlagen, TBDV)
  • Das Wasser verlässt das Gebäude als Abwasser (Gewässerschutzgesetz, GSchG). Dieses Abwasser ist in die Kanalisation einzuleiten, in zentralen Kläranlagen zu reinigen und ins Gewässer einzuleiten.

Im Vordergrund der geltenden Gesetze steht der Schutz der Gewässer vor Schadstoffen. Dabei wird das heute gängige System mit grossen Kanalnetzen und zentralisierten Kläranlagen als einzig mögliche Technologie dargestellt. Aber dieses System gerät immer mehr an seine Grenzen, denn:

  • Abwasser wird gemischt gesammelt. Die grosse Vielfalt an Inhaltsstoffen erschwert die Reinigung oder Rückgewinnung von Wertstoffen zur Wiederverwendung. Eine Verwertung der Ressourcen aus dem Abwasser ist nicht vorgesehen, ausser beim Phosphor, wo die neue Verordnung (Verordnung über die Vermeidung & Entsorgung von Abfällen, VVEA) eine Verwertung aus Klärschlamm vorschreibt, die allerdings technologisch noch nicht ausgereift ist.
  • Kläranlagen können nur einen Teil der Stoffe aus dem Abwasser entfernen. Die Gesetzgebung schreibt Konzentrations-Grenzwerte vor. Dadurch begünstigt sie Systeme, die viel Wasser verbrauchen.
  • Wasserknappheit wird auch in der Schweiz immer mehr zum Thema. Besonders in langen Trockenzeiten erhöht sich der Wasserverbrauch markant. Die Nutzung von aufbereitetem Wasser ist im Gesetz nicht vorgesehen.

Ähnlich wie beim Abfall-Recycling (Alu, Glas, Papier usw.) setzen Kreislauf-Systeme auch beim Abwasser voraus, dass die Stoffströme möglichst an der Quelle getrennt werden, z.B.:

  • Urin: wird zu Dünger, der Stickstoff und Phosphor sowie alle weiteren Nährstoffe enthält.
  • Kot: wird durch Wurmkompostierung zu Humus für den Gartenbau.
  • Grauwasser: Abwasser aus Bad und Küche kann relativ einfach aufbereitet sowie im und ums Haus wiederverwendet werden, z.B. für Grünflächen, -dächer oder begrünte Fassaden.

Diese Systeme sind nur exemplarisch aufgeführt. Die Forschung sowie innovative Unternehmen bieten eine Vielfalt von Lösungsansätzen. Damit diese aber verbreitet eingesetzt werden können, müssen bestehende Gesetze und Verordnungen angepasst oder differenziert vollzogen werden.
Die Regierung wird beauftragt, zu prüfen und zu berichten, welche Massnahmen ergriffen werden können und sollen, damit Abwasser zukünftig als Ressource genutzt und vermehrt (Ab-)Wasserkreisläufe geschaffen werden können. Insbesondere sollen folgende Ansätze geprüft werden:

  • Definition getrennter Stoffströme wie Ausscheidungen oder Grauwasser nicht als gemischtes Abwasser gemäss GSchG/GSchV, sondern als Abfall gemäss VVEA, die eine stoffliche oder energetische Verwertung vorschreibt.
  • Ausnahmen zur Anschluss- und Einleitpflicht, um Abwasser weniger zu vermischen und Teilströme vor Ort aufzubereiten (der Kanton Genf genehmigt bereits solche Projekte).
  • Gezielter Einbezug neuartiger Technologien und Kreislauf-Systeme in die Entwässerungsplanung und das kantonale Gewässerschutz-Gesetz.

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