Motion von Landrätin Laura Grazioli für den 15./16. Dezember 2021

In ihrer Beantwortung der Interpellation 2021/330 schreibt die Regierung: «Fassadenfarben und -putze werden häufig mit Bioziden ausgestattet, um eine Verfärbung der Fassaden durch Algen und Pilze zu vermeiden. Bereits im Jahr 2008 informierte die Eidgenössische Anstalt für Wasserversorgung, Abwasserreinigung und Gewässerschutz (EAWAG), dass Biozidwirkstoffe bei Regen in relevanten Mengen aus Fassaden ausgewaschen werden können. Weil unbelastetes Wasser von der Schmutzwasserkanalisation und der Kläranlage ferngehalten werden soll, wird das Regenwasser von neueren Gebäuden normalerweise versickert oder über eine Trennkanalisation in Oberflächengewässer geleitet. So können die Biozidwirkstoffe direkt in den Boden, in Bäche und das Grundwasser gelangen.» Dank Forschung und Entwicklung werden heute Biozide in den meisten Fassadenprodukten in mikroverkapselter Form eingesetzt. Dadurch werden sie bei Regen deutlich weniger schnell ausgewaschen. Eine eidgenössisch koordinierte Marktkontrolle in den Jahren 2016–2017 zeigte aber, dass in Fassadenprodukten häufig besonders gewässertoxische und schlecht abbaubare Wirkstoffe, wie beispielsweise Terbutryn und Diuron, eingesetzt werden. Diese können auch in tiefen Konzentrationen unerwünschte Effekte auf Gewässerorganismen haben.

Die Thematik der biozidhaltigen Fassadenbeschichtungen wurde in den letzten Jahren in die
verschiedenen Instrumente zum nachhaltigen Bauen aufgenommen. Diese sind verbindlicher
Bestandteil bei Ausschreibungen von Bauarbeiten durch den Kanton Basel-Landschaft. Wenn man die ecobau-Website besucht, kann man allerdings feststellen, dass bei Ausschreibungen nach eco-bau eine biozidfreie Fassadenbeschichtung mit Umweltetikette A oder B favorisiert wird. Produkte mit Filmschutz sind jedoch nicht explizit ausgeschlossen. Die Erfahrung von Fachleuten zeigt, dass ein rein mineralischer Aufbau mit Dickschichtputz bzw. mineralischem Putzaufbau deutlich mehr kostet als ein normaler Putzaufbau mit Standard-Fassadenfarbe. Eine Lösung ohne Biozide ist jedoch nur auf Dickschichtsystemen möglich. Aufgrund der Mehrkosten werden die Dickschichtsysteme aber mengenmässig nur selten realisiert. Dabei ist es einerseits so, dass der Lebenszyklus nicht berücksichtigt wird, denn eine konventionelle Fassade ist zwar günstiger als eine mit mineralischem Putzaufbau. Die konventionelle Fassade hält aber lediglich 15 bis 20 Jahre, danach ist das darin enthaltene Biozid ausgewaschen und die Fassade muss erneuert werden. Ein mineralischer Putzaufbau gibt nie bedenkliche Stoffe ins Grundwasser ab und hat einen Lebenszyklus von 50 plus Jahren. Andererseits wäre es essenziell, den Eintrag von Bioziden ins Grundwasser gänzlich zu vermeiden, denn Biozide spielen eine wichtige Rolle im Hinblick vom zunehmenden Insektensterben.

Gleichzeitig ist davon auszugehen, dass die Planungsinstrumente der öffentlichen Hand bei privaten Wohnbauten weniger verbreitet sind und in diesem Bereich noch allergrösstenteils mit konventionellen Filmschutzprodukten gearbeitet wird. Hier besteht ein grosser Hebel für die Förderung von nachhaltigen, mineralischen Lösungen, der bisher gänzlich ungenutzt ist. In Anbetracht der Schädlichkeit von biozidhaltigen Fassaden müssen Mechanismen installiert werden, welche die zunehmende Verwendung von mineralischem Verputz fördern.

Die Regierung wird beauftragt,

  1.  Die Verwendung von mineralischem Putzaufbau bei öffentlichen Bauten als zwingendes Kriterium vorzuschreiben.
  2.  Ein Konzept zur Förderung von mineralischen Fassaden bei nicht-öffentlichen Bauprojekten zu entwickeln. Denkbar wäre das Subventionieren von mineralischem Dickschichtputz, damit dieser kostenmässig mit konventionellem Putzaufbau mithalten kann und dadurch häufiger zum Einsatz kommt.
  3. Eine Informationskampagne bei den Gemeinden umzusetzen, damit bei der kommunalen Bautätigkeit vermehrt auf die Erstellung von mineralischen Hausfassaden geachtet wird.