Motion von Landrat Fredy Dinkel für die Ratssitzung vom 9. Februar 2023

In der Vergangenheit war bei öffentlichen Beschaffungen neben den technischen Spezifikationen im Wesentlichen nur der Preis das entscheidende Zuschlagskriterium. Mit dem Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen (BöB), Stand 1.1.2021 kann neben Kriterien wie technischer Wert, Wirtschaftlichkeit, Lebenszykluskosten, Innovationsgehalt, etc. auch die Nachhaltigkeit berücksichtigt werden. Für die kantonale öffentliche Beschaffung wurden diese Zuschlagskriterien in der interkantonalen Vereinbarung über das öffentliche Beschaffungswesen (IVöB) in Artikel 29 übernommen. Damit ist es möglich, neben der ökonomischen Dimension, die mit den Lebenszykluskosten gut abgedeckt ist, sowohl ökologische wie auch soziale Aspekte bei den Zuschlagskriterien zu berücksichtigen. Diesen Aspekten das notwendige Gewicht zu geben, ist aus verschiedenen Gründen nicht nur sinnvoll, sondern notwendig:

  • Negative ökologische und soziale Auswirkungen werden von der Allgemeinheit und damit auch von der öffentlichen Hand getragen. Die damit verbundenen externen Kosten belasten in Zukunft sowohl das Haushaltbudget der öffentlichen Hand wie auch das der Privatpersonen. Entsprechend ist es auch ökonomisch sinnvoll, diese möglichst gering zu halten.
  • Für unsere Zukunftsfähigkeit ist ein nachhaltiger Umgang mit der Umwelt, den Ressourcen und den Menschen notwendig. So hat z.B. der ehemalige Chefökonom der Weltbank Nicholas Stern im Stern-Report bereits im Jahre 2006 aufgezeigt, dass die ökonomischen Folgen des Klimawandels sehr hoch, je nach Entwicklung sogar untragbar sind. Gleiches gilt für andere Umweltauswirkungen, so kostet z.B. die Aufrüstung von Kläranlagen zur Elimination von Mikroverunreinigungen hunderte von Millionen.

Die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien bietet für unsere Unternehmen aus den folgenden Gründen auch grosse Chancen:

  • Unsere Unternehmen müssen auf Grund der Gesetzgebung teilweise höhere ökologische Anforderungen erfüllen als ausländische Unternehmen. Dies kommt einerseits unserer Umwelt und damit unserer Lebensqualität zugute, andererseits kann dies mit entsprechenden Mehrkosten verbunden sein. Falls diese Leistungen nicht berücksichtigt werden, so führt dies nicht nur zu Mehrbelastungen der Umwelt, sondern benachteiligt auch unsere Unternehmen im Vergleich zu Standorten, welche diese Auflagen erfüllen müssen.
  • Unsere Unternehmen erfüllen meist höhere Anforderungen an soziale Sicherheit für ihre Arbeitnehmer*innen, was mit Mehrkosten verbunden ist. Um gleich lange Spiesse zu gewährleisten, ist es notwendig, soziale Kriterien bei den Vergabekriterien zu berücksichtigen.
  • Die Berücksichtigung von regionalen Unternehmen führt zu kürzeren Transportwegen. Regionalität ist kein gültiges Kriterium an sich, kann aber aufgrund der geringeren Belastung über die ökologische Dimension der Nachhaltigkeit berücksichtigt werden.

Der Bund hat in den letzten zwei Jahren seit Inkrafttretung des BöB erste Erfahrungen mit der Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien bei Ausschreibungen gesammelt und dazu auch eine Studie veröffentlicht, die aufzeigt, wie entsprechende Beurteilungen und Gewichtungen erfolgen können. Auch der Kanton hat bereits erste Erfahrungen mit Nachhaltigkeitskriterien im Baubereich gemacht.

Um den Zweck der IVöB, Art. 2a «den wirtschaftlichen und den volkswirtschaftlich, ökologisch und sozial nachhaltigen Einsatz der öffentlichen Mittel» zu erfüllen, müssen entsprechende Kriterien bei der Beschaffung berücksichtigt werden. Dabei ist zu beachten, dass diesbezüglich wesentliche Entscheide oft schon vor der Ausschreibung durch die Produktdefinition des Bedarfsträgers getroffen werden. Entsprechend müssen Nachhaltigkeitskriterien auch schon auf dieser Stufe berücksichtigt werden.

Die Regierung wird daher beauftragt, zumindest bei Beschaffungen, welche öffentlich ausgeschrieben werden müssen, soziale und ökologische Zuschlagskriterien zu berücksichtigen. Dazu sollen Richtlinien erarbeitet werden, wie die Beurteilung sowie Gewichtung erfolgen soll, und wie diese bereits bei der Produktdefinition der Bedarfsträger verwendet werden können. Dabei sollen bei der Bestimmung der Kriterien und deren Bewertung nicht nur Einzelanforderungen wie z.B. Verwendung von Recyclingmaterialien verwendet werden, da diese oft zu kurz greifen und wesentliche Aspekte wie Biodiversität und Lebensräume, welche je nach Projekt relevant sein können, nicht berücksichtigen. Vielmehr sollen der gesamte Lebensweg der Produkte und Dienstleistungen sowie die diesbezüglich relevanten Aspekte einbezogen werden. Dazu gibt es sowohl vom Bund wie auch international anerkannte Methoden, wie z.B. die Ökobilanzierung.

Falls es für bestimmte Güter oder Dienstleistungen nicht sinnvoll ist, diese Zuschlagskriterien anzuwenden, so können diese mit einer entsprechenden Begründung angepasst werden.