Interpellation von Laura Grazioli für den Landrat vom 24. September 2020

Für die Bewirtschaftung der Spezialfinanzierungen ist das Bundesgesetz vom 7. Oktober 1983 über den Umweltschutz (Umweltschutzgesetz, USG; SR 814.01) massgebend, welches vor allem in den Bereichen Abfall und Abwasser eine Verursacherfinanzierung, d.h. einen direkten Zusammenhang zwischen den erbrachten Aufgaben und den bezahlten Entgelten, vorgibt. Dies wird durch die zweckgebundene Finanzierung spezifischer Aufgaben nicht durch Steuern, sondern ausschliesslich durch Gebühren (§ 21 Abs. 1 GRV) sichergestellt.
Im Kanton Basel-Landschaft befanden sich per Ende 2018 rund CHF 120 Mio. an Reserven aus den Wasserkassen in den Bilanzen der Gemeinden. Bei den Kapitalien der Abwasserkassen waren es sogar CHF 285 Mio., beim Abfall immerhin noch rund CHF 36 Mio. (www.statistik.bl.ch). Einzelne Gemeinden verfügen über anhaltend hohe Überschüsse in den entsprechenden Kassen und können diese aufgrund der obigen Grundsätze nur dadurch reduzieren, dass die Wasser-, Abwasser- und/oder Abfallgebühren so weit reduziert werden, dass in den jeweiligen Kassen ein Defizit erwirtschaftet wird.
Das wiederum ist aus zwei Gründen stossend: Erstens handelt es sich insbesondere bei Wasser um eine wertvolle, immer knapper werdende Ressource – gerade im Oberbaselbiet hatten mehrere Gemeinden in den letzten Jahren mit zunehmender Wasserknappheit zu kämpfen, welche sich aufgrund der klimatischen Trends noch weiter akzentuieren dürfte. Entsprechend sollten Anreize für den Verbrauch von weniger statt mehr Wasser gesetzt werden und in der Annahme, dass der Verbrauch zumindest ein Stück weit über den Preis gesteuert wird, müsste der Wasserpreis angehoben statt gesenkt werden. Zweitens hat das Leitungswasser einen ökonomischen Wert, der neben der Ressource selbst auch Infrastrukturkosten enthält. Gebührenreduktionen zur Abtragung eines übermässigen Bilanzüberschusses führen dazu, dass das Wasser zu billig wird und wiederum Fehlanreize gesetzt werden, die (auch) in Anbetracht des ersten Punktes eigentlich vermieden werden müssten.
Beim Abfall verhält es sich ähnlich – auch hier müssten aus ökologischen und ökonomischen Gründen eigentlich eher höhere als tiefere Gebühren anfallen.
Der Regierungsrat kann in begründeten Fällen bewilligen, dass eine anders als gebührengetragene Einlage in eine Spezialfinanzierung getätigt werden kann, oder dass eine Entnahme aus einer Spezialfinanzierung für eine andere als die spezifische Aufgabe verwendet werden darf. Entsprechende Anträge der Gemeinden wurden bisher äusserst restriktiv gehandhabt. Abgesehen davon gibt es aktuell keine Möglichkeit, Überträge in den allgemeinen Gemeindehaushalt oder andere zweckfremde Gefässe zu tätigen. Grundsätzlich denkbar wäre die Verwendung von Überschüssen für «innovative» Projekte mit direktem Bezug zur Spezialfinanzierung, beispielsweise über einen entsprechenden Spezialfonds für Umweltprojekte. Ausserdem hat die Gemeinde Aesch einen «Wasserrappen» geschaffen, wobei ca. 1 Prozent der Wassergebühreneinnahmen in einen Fonds zugunsten von wasserbezogenen Projekten (nicht nur in Aesch) fliessen.
Besten Dank für die schriftliche Beantwortung der folgenden Fragen:

  • Ist sich der Regierungsrat der Tatsache bewusst, dass die aktuell geltenden gesetzlichen Vorschriften und Prinzipien dazu führen, dass Überschüsse in den Spezialfinanzierungskassen faktisch nur dadurch reduziert werden können, dass Rabatte oder Gebührenreduktionen auf Wasser, Abwasser und Abfallgebühren gewährt und somit Defizite generiert werden, was wiederum zur Folge hat, dass die entsprechenden Tarife teilweise extrem niedrig sind und nicht dem eigentlichen Wert der damit verbundenen Leistung bzw. Ressource entsprechen?
  • Welche Möglichkeiten sieht die Regierung, um dieser Preisverzerrung entgegenzuwirken und welche Schritte ist sie bereit, in die entsprechende Richtung zu unternehmen?
  • Wird in Erwägung gezogen, das Instrument eines «Wasserrappens», wie es die Gemeinde Aesch kennt, zu institutionalisieren und auch höhere Beiträge in eine solche Spendenkasse zuzulassen?
  • Wird in Erwägung gezogen, die regierungsrätliche Kompetenz zur Bewilligung von Entnahmen aus den Spezialfinanzierungen für andere als die spezifische Aufgabe (§21 Abs 5 GRV) breiter auszulegen (z.B. für Umweltschutz-, Energieeffizienz- oder Klimaanpassungsprojekte) und entsprechend häufiger davon Gebrauch zu machen?
  • Wird in Erwägung gezogen, auf überkantonaler bzw. Bundesebene nach Lösungen zu suchen, wie das zur Anwendung kommende Kostendeckungsprinzip und die geltende Zweckgebundenheit zugunsten von Gefässen wie z.B. einem kommunalen Fonds für Umweltschutzmassnahmen – in einem verhältnismässigen Rahmen – gelockert werden könnte?