Die Mitgliedschaft der Schweiz im Europarat und die Ratifizie­rung der Europäischen Men­schenrechtskonvention (EMRK) hat das Recht in der Schweiz positiv beeinflusst und unsere Grundrechte gestärkt.
1962 beschlossen die eidgenössischen Räte dem 1949 gegründeten Europarat beizutreten. Die Ratifizierung der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) erfolgte dagegen erst 1974. Diese war erst möglich, nachdem die Schweiz 1971 das Frauenstimmrecht eingeführt und 1973 den Verfassungsartikel, der die Bewegungsfreiheit der Jesuiten einschränkte, gestrichen hatte.
Der Beitritt zur EMRK und die Anerken­nung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Strassburg trugen auch sonst zur Modernisierung des Schweizer Rechts bei und stärkten die Rechte des Einzelnen. So war es ja auch «Strassburg», das die Schweiz darauf hinwies, dass die gesetzliche Grundlage für den Einsatz von Sozialdetektiven fehle. Was das Schweizer Parlament dann daraus gemacht hat, steht auf einem anderen Blatt…
Eher anekdotisch, wenn auch für die Betroffenen damals keineswegs lustig, wirkt heute, dass erst dank dem Gang nach Strassburg die Bestimmung aufgehoben wurde, dass man in der Schweiz nach einer Scheidung sich erst nach drei Jahren wiederverheiraten durfte.

EMRK als Rettungsring

Was der SVP gar nicht passt, ist nicht zuletzt der Umstand, dass die EMRK und der Europäische Gerichtshof in Strassburg (in den die Schweiz Einsitz hat) zum letzten Rettungsring werden können, wenn Grundrechte beeinträchtigt werden. Diese sind zwar in der Schweizer Bundesverfassung verankert. Da die Schweiz aber über kein Verfassungsgericht verfügt, bleibt bisweilen nichts anderes übrig als der Gang nach Strassburg. Dieser ist allerdings kein Sonntagsspaziergang. Er kann zudem auch nur erfolgen, wenn in der Schweiz die Rechtsmittel ausgeschöpft sind. Diese Möglichkeit, uns an Strassburg zu wenden, will uns die SVP mit ihrer Initiative verbauen. Im Klartext: Es geht der SVP nicht um «Selbstbestimmung», sondern darum, der Schweiz ihre Ansichten aufzuoktroyieren, auch auf Kosten unserer Rechte und der Verhältnismässigkeit.
Martin Stohler, Redaktion Grünwärts
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