Stellungnahme der GRÜNEN Baselland vom 17. März 2025

Die GRÜNEN Baselland nehmen zur Teilrevision des Ergänzungsleistungsgesetzes wie folgt Stellung. Wir beantragen, auf die Erhöhung des Vermögensverzehrs zu verzichten. Dies aus folgenden Gründen:

Kein Einfluss der Betroffenen auf Kosten des Spitals und Heimaufenthaltes

Seit der Einführung der Neuen Pflegefinanzierung im Jahre 2011 beteiligen sich die Krankenkassen an den Kosten für die Pflege mit einem nach Pflegestufe abgestuften Betrag. Für die Kosten der sog. Hotellerie und der Betreuung müssen im Grundsatz die Betroffenen selbst aufkommen. Inwieweit sich die Kantone dabei beteiligen, liegt in ihrer Kompetenz.
Bei allen Betroffenen besteht eine Indikation für einen stationären Aufenthalt. Sie befinden sich in einer Zwangslage. Sie haben nur sehr beschränkte Möglichkeiten (Auswahl der Zimmer) auf die Kosten einzuwirken. Die Notlage ist nicht durch unterdurchschnittliche Einnahmen, sondern durch überdurchschnittliche Ausgaben verursacht.
Mit der Erhöhung des Vermögensverzehrs werden Kosten auf Personen abgewälzt, die sich in einer Zwangslage befinden und ohnehin zu den Schwächsten gehören. Dies lehnen die GRÜNEN ab.

Verletzung des Diskriminierungsverbotes

Die betroffene Personengruppe ist stationär pflegebedürftig und gehört damit zur Personengruppe von Menschen mit Behinderungen im Sinne von Art. 1 Abs. 2 der UNO-Behindertenkonvention (BRK). Art. 5 Abs. 2 BRK verbietet wie Art. 8 Abs. 2 BV jede Diskriminierung aufgrund der Behinderung. Art. 6 BRK verpflichtet die Staaten, die Situation von Frauen mit Behinderungen besonders zu berücksichtigen und alle geeigneten Massnahmen zu treffen, um zu garantieren, dass sie die in diesem Übereinkommen genannten Menschenrechte und Grundfreiheiten ausüben und geniessen können.
Gemäss dem Urteil des EGMR Glor vs. Schweiz vom 6.11.2008 (Req. 13444/04) besteht welt- und europaweit ein Konsens, behinderte Personen vor Diskriminierung zu schützen (Ziff. 54). Die Hürde für die Rechtfertigung der Ungleichbehandlung einer behinderten Person ist entsprechend hoch, und es muss ein strenger Massstab für die Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung zur Anwendung kommen. Dementsprechend gesteht der EGMR den Mitgliedsstaaten in Bezug auf die Ungleichbehandlung von Menschen mit Behinderung nur einen erheblich reduzierten Ermessenspielraum zu.
Betroffen von der Erhöhung des Vermögensverzehrs sind EL-Beziehende mit Vermögen, die in Heimen und Spitälern leben. Dagegen sind EL-Beziehende mit Vermögen, die zu Hause leben, nicht betroffen (Vorlage 2.3.8). Die getroffene Unterscheidung verletzt das Diskriminierungsverbot.
Wie bereits erwähnt, haben Personen mit EL nur sehr beschränkte Möglichkeiten, die Kosten des Heim- oder Spitalaufenthaltes zu beeinflussen. Ausserhalb des EL-Systems werden Personen, die stationär behandelt werden müssen, in Bezug auf die Kostenbeteiligung genau gleich behandelt wie solche, die keinen stationären Aufenthalt benötigen. Die Selbstbeteiligung oberhalb der Franchise ist mit maximal Fr. 700.— gedeckelt, unabhängig ob stationäre oder ambulante Kosten anfallen.
Für die Ungleichbehandlung gibt es deshalb keine sachlichen Gründe. Die Betroffenen werden für eine unverschuldete Zwangslage bestraft. Die vorgeschlagene Massnahme verletzt die Rechte von behinderten Personen.

Keine weitere Verschärfung auf kantonaler Ebene nach der ELG-Revision des Bundes per 1.1.2021

In der Vorlage wird an mehreren Stellen ausgeführt, dass mit der EL-Revision per 1.1.2021 das Vermögen stärker in den Focus geraten ist. Mit dieser Revision hat der Bund in Bezug auf das Vermögen eine Eintrittsschwelle von Fr. 100’000.— für alleinstehende Personen und Fr. 200’000.—für Ehepaare eingeführt (Art. 9a ELG). Gleichzeitig wurden der Vermögensverzehr erhöht und die Freibeträge abgesenkt (vgl. Art. 11 Abs. 1 lit. c ELG). Auch die Bestimmungen zum Vermögensverzicht wurden verschärft und es wurde eine Rückerstattungsschuld für Erben eingeführt (vgl. Ziff. 2.3.3 der Vorlage).
Der Bund hat die Ziele der vorliegenden Reform bereits abschliessend vorweggenommen. Mit der stärkeren Berücksichtigung des Vermögens hat der Bund bereits sichergestellt, dass die EL nur solche Personen erhalten, die ohne die Unterstützung unter dem Existenzminimum leben (BBl 2016 7466).
Die Kompetenz der Kantone zur Erhöhung des Vermögensverzehrs auf 20 %  (Art. 11 Abs. 2 ELG) wurde anlässlich der 2. Revision des ELG von 1987 eingeführt. Hintergrund dieser Kompetenz waren Berechnung, die gezeigt hatten, dass bei einem Heimaufenthalt auch bei Vermögenswerten über Fr. 100’000.— ein Anspruch auf Ergänzungsleistungen bestehen könne (Carigiet/Koch, Ergänzungsleistungen zur AHV/IV, 2A. 2009, S. 162).
Durch die mit Revision vom 1.1.2021 gesetzten Änderungen ist die kantonale Kompetenz materiell dahingefallen. Der Bund hat jetzt den Sinn und Zweck von Art. 11 Abs. 2 ELG vollumfänglich erfüllt. Der Kanton ist nach den Änderungen auf Bundesebene gar nicht mehr berechtigt, diese Kompetenz umzusetzen. Damit spielt auch keine Rolle, dass andere Kantone von dieser Kompetenz bereits Gebrauch gemacht haben.
Der stärkere Einbezug des Vermögens per 1.1.2021 führte dementsprechend gemäss den Angaben des Bundes zu einer Entlastung der Ausgaben bei den Kantonen um rund 50 Millionen jährlich. In der Botschaft zur Revision 2021 führte der Bundesrat denn auch aus, „weitergehende Kostenreduktionen wären ohne Eingriff in das EL-rechtliche Existenzminimum nicht möglich“ (BBl 2016 7522).

Sparpotential nicht transparent

Gemäss Vorlage soll beim Kanton eine jährliche Entlastung von Fr. 900’000.— und bei den Gemeinden eine solche von 1.36 Millionen zu erwarten sein. In Frage stehen Vermögenswerte von Fr. 70’000.— für Alleinstehende und Fr. 150’000.—für Ehepaare (Eintrittsschwelle/Freibetrag).
Ohne Revision wird dieses Vermögen um jährlich 1/15 %, d.h. 10’500.— für Alleinstehende und Fr. 10’000.— für Ehepaare vermindert. Bei Alleinstehenden muss folglich nach etwas mehr als 6 ½ Jahren, bei Ehepaaren nach 15 Jahren ungekürzte EL ausbezahlt werden. Bei Altersrentner*innen ist der Zeitraum etwas länger, da der Vermögensverzehr nur 1/10 beträgt.
Mit der Revision muss bei einem Vermögensverzehr von 20 % bei Alleinstehenden und bei Ehepaaren bereits nach fünf Jahre die ungekürzte EL ausbezahlt werden. Der Zeitraum für die Anrechnung des Vermögensverzehrs wird bei alleinstehenden Personen lediglich um anderthalb Jahre, und bei Ehepaaren um 10 Jahre verkürzt.
Die zu erwartenden Einsparungen hängen folglich von der Dauer des Verbleibes in der EL, den zu erwartenden Neueintritten und dem Zivilstand ab. Diese Faktoren werden in der Vorlage entweder gar nicht, oder nur sehr rudimentär besprochen. Bezieht z.B. eine alleinstehende Person länger als 6½ Jahre EL, besteht gar kein Sparpotential. Durch die Revision wird einfach ihr Vermögen schneller verbraucht, dafür hat sie aber auch bereits nach fünf Jahren Anspruch auf ungekürzte EL. Bei Ehepaaren gilt sinngemäss das Gleiche.
Das Sparpotential wird zudem durch die Rückzahlungspflicht der Erben nochmals reduziert. Vor diesem Hintergrund ist dieses zu wenig transparent und die Gründe für die stärkere Beteiligung der Betroffenen sind zu wenig ausgewiesen. Aus den geschilderten Gründen lehnen die GRÜNEN die Vorlage des Regierungsrates ab.