Ein Gastbeitrag von Lotti Stokar, Grüne Gemeindepräsidentin von Oberwil von 2008 bis 2016, in BiBo (BirsigtalBote) vom 30. April 2020.

Am 15. Mai 2012 durfte ich als damalige Gemeindepräsidentin die Auszeichnung «Ener­giestadt» für Oberwil entgegennehmen. Bereits im Jahr 2002 hatte die Umweltkommission beantragt, Energiestadt zu werden. Dies wurde vom Gemeinderat abgelehnt mit der Be­gründung, man könne auch ohne Label Energie sparen. Im Jahr 2008 nahm der Gemein­derat das Ziel, «Energiestadt» zu werden, in die Legislaturziele 2008 bis 2012 auf, weil bis dahin noch kaum etwas geschehen war. Von 2009 bis 2011 wurde daraufhingearbeitet und Oberwil wurde «Energiestadt».
Auch der Kanton Baselland setzt sich in seiner Energiestrategie das Ziel, dass alle Ge­meinden bis 2030 das Energiestadtlabel erhalten sollen – und davon mindestens 20 Prozent mit dem «Standard Gold». Heute wohnen rund fünf Millionen Einwohnerinnen und Ein­wohner der Schweiz in einer «Energiestadt». Therwil ist Energiestadt und Ettingen wird das Label im 2020 erhalten.
Im BiBo vom 9. April informiert nun der Gemeinderat, dass man das zweite Re-Audit nicht machen, das Label aufgeben und aus dem Trägerverein Energiestadt austreten werde. Er verweist auf die bereits vorhandene «Energiestrategie». Eine neue «kommunale Energie­strategie» soll nun von Gemeindeverwaltung und Energie- und Umweltkommission «for­muliert» werden. Inhalt: das Bisherige und «neue Gesichtspunkte».
Diese Politik steht quer in der politischen Landschaft: Energiestädte spielen eine wichtige Rolle bei der Umsetzung der Energiestrategie 2050, zu welcher sich die Schweiz ver­pflichtet hat. Sie erhalten vom Bundesprogramm Energie Schweiz von 2021 bis 2030 fi­nanzielle Beiträge und Kommunikationsleistungen für ihr Engagement in der Klima- und Energiepolitik.
Ich bezweifle sehr, dass dieses billigere «Selbermachen» genügt. Es braucht die Unter­stützung von Fachleuten. Mitglieder einer kommunalen Kommission und die Verwaltung haben weder das nötige Fachwissen noch die zeitlichen Ressourcen. Wir sollten uns ein Vorbild nehmen an unserer Nachbargemeinde Reinach, welche letztes Jahr den GOLD-Standard des Labels Energiestadt erreicht hat. Dies sollte unsere Messlatte sein!
Doch der Gemeinderat hat entschieden, «selber machen» genügt. Wir sparen 12’000.- Franken, welche ein Re-Audit einmal in vier Jahren kostet, sowie den Vereinsbeitrag an den Trägerverein Energiestadt. Wir verlieren dafür die Auszeichnung «Energiestadt», welche gegen aussen sichtbar macht, dass sich die Gemeinde einsetzt für eine nachhaltige Ener­giepolitik, und wir verlieren die finanziellen Beiträge von Bund und Kanton.
Wie kann ich nun darauf vertrauen, dass meine Wohngemeinde Oberwil engagiert voran­schreitet, um die Ziele der Energiestrategie 2050 und damit den Ausstieg aus dem fossilen CO2 zu erreichen? Warum war es nicht möglich, das Re-Audit erfolgreich abzuschlies­sen? Im Aufgaben- und Finanzplan 2020 bis 2024 steht unter dem Titel «Umweltschutz und Raumordnung»: «Energiestadt-Label überprüfen». Mich hätte interessiert, was die Gemeinde im Bereich Energiestadt seit dem letzten Re-Audit 2015 geleistet hat und welche weiteren Massnahmen geplant sind. Als Energiestadt hat sich Oberwil bisher zu ei­ner fortschrittlichen Energiestrategie zum Schutz des Klimas bekannt. Als Energiestadt verpflichtete sich die Gemeinde, der Bevölkerung alle vier Jahre aufzuzeigen, um wie viel sie den CO2-Ausstoss reduziert hat und ob wir damit auf Kurs sind.
Ich bin nun gespannt, welche «neuen Gesichtspunkte» dazu kommen werden und wie die Bevölkerung darüber informiert werden soll. Ohne externe Begleitung und objektive Aus­sensicht – auch im Vergleich mit andern Energiestädten – und ohne das Netzwerk und Erfahrung des Trägervereins Energiestadt befürchte ich, dass sich Oberwil mit einer wohlklingenden Energiestrategie und ohne Erfolgskontrolle in selbstgefälliger Nabelschau begnügen wird. Durch Taten lasse ich mich sehr gerne vom Gegenteil überzeugen.
Lotti Stokar, Landrätin Grüne Baselland, ehem. Gemeindepräsidentin Oberwil