Interpellation von Peter Hartmann für die Landratssitzung vom 30. September 2021

Die Gemeinde Allschwil hat bei der Deponie Roemisloch von BASF, Novartis und Syngenta (ChemChina) in Neuwiller (F) mehrmals Benzidin nachgewiesen. Am 1. März 2021 fand die Gemeinde Allschwil im Roemislochbach direkt am Fusse der Deponie mittels Einzelstoffanalysen 58.4 Nanogramm Benzidin pro Liter Wasser (ng/l), am 27. April 2021 waren es 74 ng/l und am 20. Juli 2021 deren 0.4 ng/l.1 Benzidin löst Blasenkrebs aus.

Die Chemiefirma J. R. Geigy belieferte die Deponie Roemisloch von 1957 bis 1960 aus ihrer Basler Fabrik Rosental und ihrem Werk in Schweizerhalle (BL) mit Chemieabfall. In diesen beiden Fabriken hat die J. R. Geigy AG auch mit Benzidin gearbeitet und daraus u.a. sogenannte Benzidin-Farbstoffe hergestellt.2 Dasselbe tat die Chemiefirma Ciba AG in ihren Fabrikationsstätten im Basler Stadtteil Klybeck.3 Dies geht auch aus den jeweiligen historischen Berichten hervor.4

Die J. R. Geigy AG und die Ciba AG haben zuvor von ca. 1940 bis 1957 die Deponie Feldreben in Muttenz mit Chemieabfall beliefert. Die heute verantwortlichen Chemie- und Pharmafirmen BASF AG (ex. Ciba SCAG), Novartis AG und Syngenta AG schätzen, dass ihre Vorgängerfirmen in der Feldrebengrube 13’500 bis 25’000 Tonnen Chemieabfall abgelagert haben.5

2004 wurde bei der Feldrebengrube Benzidin mittels der Analysemethode GC/MS-Screening im Grundwasser und 2010 in Abfallproben aus der Deponie nachgewiesen.6 Mit dieser Analysemethode lässt sich die Benzidin-Konzentration nur semi-quantitativ bestimmen. Im Grundwasser wurden 152 ng/L und im Feststoff-Eluat 4’143 ng/L abgeschätzt, was einer Konzentration im Feststoff von 0.8 Milligramm Benzidin pro Kilogramm entspricht.7 Bei einer Gefährdungseinschätzung dieser Benzidin-Nachweise kommen die AutorInnen 2007 zum Schluss: «Jedes Auftreten der Substanz im Grundwasser oder Trinkwasser über der Nachweisgrenze» müsse «als gesundheitlich bedenklich eingeordnet werden».8

Für den Analysespezialisten Prof. Dr. Michael Oehme liegt die 2004 im Grundwasser mittels GC/MS-Screening abgeschätzte Benzidin-Konzentration von 152 ng/l ohne Zweifel über dem Schweizer Grenzwert (k- Wert) von 0.75 ng/l für das Grundwasser bei der Feldrebengrube.9

Soweit mir bekannt ist, haben die heute verantwortlichen Konzerne BASF, Novartis und Syngenta sowie der Kanton Basel-Landschaft im Grundwasser bei der Feldrebengrube in Muttenz bisher noch nie mittels Einzelstoffanalysen nach Benzidin gesucht. Mit dieser Analysemethode lässt sich das Benzidin exakt quantifizieren und mit den Grenzwerten (k-Werten) vergleichen.

Peter Hartmann bittet daher um die Beantwortung der nachfolgend aufgeführten Fragen:

  1. Wie schätzt der Regierungsrat die Gefährlichkeit von Benzidin ein?
  2. Kann er bestätigen, dass Benzidin ein wichtiges Zwischenprodukt war und in grossen Mengen für die Farbstoffproduktion eingesetzt wurde?
  3. Der Roemislochbach mündet in den Mülibach. Hat der Kanton im Mülibach in Allschwil vor 2021 je nach Benzidin gesucht?
  4. Stimmt es, dass im Grundwasser bei der Feldrebengrube in Muttenz bisher keine Einzelstoffanalysen auf Benzidin durchgeführt wurden?
  5. Teilt der Regierungsrat die Ansicht, dass es aufgrund der Wichtigkeit von Benzidin in der Farbstoffproduktion bis in die 1960er-Jahre, den neuen Benzidin-Funden beim Roemisloch, den Benzidin-Nachweisen mittels Screening bei der Feldrebengrube und der Einschätzung von Prof. Michael Oehme angezeigt ist, auch im Grundwasser bei der Feldrebengrube systematisch mittels Einzelstoffanalysen nach Benzidin zu suchen?
  6. Auch die Deponien Margelacker, Rothausstrasse (beide in Muttenz) und Wannen in Pratteln wurden teils von den oben genannten Firmen bzw. von der Sandoz AG mit Chemieabfall beliefert. Wurde bei diesen Deponien je nach Benzidin im Grundwasser gesucht?

1 Martin Forter: Beurteilung der Analyseergebnisse von Wasserproben aus dem Roemisloch vom März und April 2021, im Auftrag der Einwohnergemeinde Allschwil, Basel, 16.6.2021, S. 18; Martin Forter: Beurteilung der bisher vorliegenden Analyseresultate Roemisloch und Mülibach, Proben vom 20. Juli 2021, im Auftrag der Einwohnergemeinde Allschwil, Basel, 23.8.2021, S. 6.

2 Martin Forter: Beurteilung der Analyseergebnisse, Basel, 16.6.2021, S. 19-23.

3 Martin Forter: Viel mehr Benzidin und andere Karzinogene in Basler Quartier, in: Oekoskop 1/20, Fachzeitschrift der Ärztinnen und Ärzte für Umweltschutz (AefU), S. 4-6.

4 Geotechnisches Institut (GI): Novartis AG Werk Rosental, Basel: Historische Erkundung (Auszug), ohne Datum, S. 11; Ciba SC, Sigrid Rembold/Novartis, Rudolf Pfister: Historische und technische Standorterkundung im Werk, Klybeck, 1. Teil: Historische Voruntersu- chung, Basel, 20.11.2000, S. 23.

5 Ciba SC/Novartis: Historie der Entsorgung von Chemierückständen der ehemaligen Ciba-, Geigy-, Sandoz- und Durand & Hugenin- Werke (BL und BS) vor 1961, Basel, 26.4.1999; Neue Zahlen für alte Sünden, in: Basler Zeitung, 20.3.2007.

6 Sieber Cassina & Partner (SCP)/Einwohnergemeinde Muttenz: Deponien Feldreben, Margelacker, Rothausstrasse, Schlussbericht technische Untersuchung, 1. Etappe, Muttenz, 31.1.2005, Beilagenband C, Probestelle F4h; RWB SA: GC/MS-Screening-Reports, in: Sieber Cassina & Partner (SCP): Schlussbericht Ergänzende Detailuntersuchung Deponie Feldreben Muttenz, Olten, 17.6.2011, Olten, 17.6.2011, Beilage B3b, Mischprobe P97/6, P97/7, P97/8.

7 Martin Forter u. Walter Wildi: Teilsanierung der Deponie Feldreben, Sanierungsprojekt vom 17.7.2014 und Sanierungsverfügung gem. AltlV § 18 vom 16.8.2016 – Eine kritische Analyse, Basel/Le Grand-Saconnex, 19.9.2016, S. 47 u. S. 108.

8 Sieber, Cassina + Partner (SCP), Fobig, Tecova: Gefährdungsabschätzung, Schlussbericht Deponien Feldreben und Rothausstrasse, 04.10.2007, S. 121 http://www.muttenz.ch/dl.php/de/47502b607e768/Gefaehrdungsabschaetzung.pdf#page=121

9 Martin Forter u. Walter Wildi: Teilsanierung der Deponie Feldreben, Sanierungsprojekt vom 17.7.2014 und Sanierungsverfügung gem. AltlV § 18 vom 16.8.2016 – Eine kritische Analyse, Basel/Le Grand-Saconnex, 19.9.2016, S. 44.

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