Motion von Landrätin Laura Grazioli für die Landratssitzung vom 27. April 2023

Im Februar 2023 hat K-Tipp publik gemacht, dass die SBB ein neues Kundenfrequenz-Messsystem ausgeschrieben hatten: Konkret sollten grössere Bahnhöfe mit gesichtserkennungstauglichen Kameras ausgestattet werden, damit das Kaufverhalten der Reisenden ausgewertet und die Einnahmen der Läden gesteigert werden könnten (https://www.ktipp.ch/artikel/artikeldetail/sbb-bespitzeln-passagiere-bald-auf-schritt-und-tritt). Damit die geplante Kategorisierung der Reisenden nach Alter, Grösse, Geschlecht möglich gewesen wäre, hätten die SBB mit grosser Wahrscheinlichkeit auf biometrische Auswertungen zurückgreifen müssen.

Der öffentliche Aufschrei war gross. Verschiedene Organisationen reichten in der Folge einen von über 17’000 Personen unterzeichneten offenen Brief an die SBB ein ein (https://www.digitale-gesellschaft.ch/2023/03/28/offener-brief-mit-17069-unterschriften-an-sbb-uebergeben-keine-biometrische-massenueberwachung-an-bahnhoefen/). Anfang April stoppten die SBB die öffentliche Ausschreibung für das Kundenfrequenz-Messsystem vorerst, voraussichtlich wird sie vor dem Hintergrund der scharfen Kritik aus der Bevölkerung angepasst. Offen ist, ob die SBB grundsätzlich auf die Möglichkeit der Videoüberwachung und Gesichtserkennung verzichten wird.

Die zunehmende Tendenz zu mehr Überwachung lässt sich seit Jahren beobachten. Auf politischer Ebene stellt sich dabei die zentrale Frage, wie der Schutz der Grundrechte im Informationszeitalter aufrecht erhalten werden kann. Diese Frage ist umso essenzieller, wenn es sich bei den überwachten Gebieten um öffentlichen Raum wie Strassen, Plätze oder öffentlich zugänglichen Raum wie Bahnhöfe handelt, deren Besuch für viele Menschen alltäglich und kaum vermeidbar ist.

Es gibt kein Szenario, in dem die Vorteile biometrischer Überwachung (z.B. Sicherheit, kommerzielle Zwecke) die potenziellen Risiken (permanente Überwachung, Eingriff in die Grundrechte, Diskriminierung, Fehler- und Hacker-Anfälligkeit) für eine demokratische Gesellschaft überwiegen.

Der Regierungsrat wird daher aufgefordert, ein generelles Verbot von biometrischer Überwachung für öffentlichen Raum und öffentlich zugänglichen Raum im Kanton Basel-Landschaft zu erlassen sowie allfällige dafür notwendige Gesetzesanpassungen vorzunehmen.

Landrätin